Im Gegensatz zum Naturbegriff wurde der Technikbegriff im Naturschutz meist wenig systematisch und wenig differenziert berücksichtigt. Der erste Teil der Vilmer Thesen thematisiert begriffliche und philosophische Grundlagen von "Natur" und "Technik", "Natürlichkeit" und "Künstlichkeit" mit Bezug auf den Naturschutz. Anschließend werden die drei Praxisfelder "Gentechnik im Naturschutz", "naturnahe Produktionssysteme" und "Renaturierung" hinsichtlich konzeptioneller Aspekte und Bewertungsfragen kritisch in den Blick genommen. Angesichts zahlreicher und heterogener Technikangebote besteht die Notwendigkeit einer vorläufigen und ggf. revidierbaren Bewertung und Entscheidung über die Wünschbarkeit konkreter technischer Zugänge im Naturschutz. Nicht um den - falschen - Gegensatz Mensch/Technik vs. Natur sollte es bei Bewertungen und Entscheidungen gehen, sondern um unterschiedliche - und unterschiedlich gelingende - Mensch-Technik-Natur-Interaktionen.
Unter den vorherrschenden Landwirtschaftspraktiken kommt es auf landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen zu einem dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt. Viele Akteure aus Landwirtschaft und Naturschutz sind mit der Situation unzufrieden: Landwirtinnen und Landwirte sehen durch Forderungen nach mehr Umwelt-, Klima- und Naturschutz ihre betriebswirtschaftlichen Grundlagen bedroht und ihre bisherigen Leistungen nicht wertgeschätzt; Naturschützerinnen und -schützer kritisieren in deutlicher Form negative Effekte der industrialisierten Landwirtschaft. So entstehen wechselseitige Entfremdungen, Frustrationen und „Polarisierungen“. In jüngerer Zeit ist aber auch eine wechselseitige Annäherung beobachtbar, insbesondere im Zuge der Arbeit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Die vorliegenden Vilmer Thesen argumentieren, dass das Zusammenspiel von Agrarwende und Auseinandersetzung mit dem Selbstverständnis, den Werten und Zielen von Landwirtschaft und Naturschutz Möglichkeiten für produktive, zukunftsweisende Koalitionen bietet. Im ersten Teil verortet These 1 die Verantwortung für mehr Naturschutz in der Landwirtschaft bei der gesamten Gesellschaft. Im zweiten Teil arbeiten die Thesen 2 – 5 die zentrale Rolle angemessener politisch-ökonomischer Rahmenbedingungen heraus. Im dritten Teil zeigen die Thesen 6 – 8 auf, wie eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung von Naturschutz und Landwirtschaft aussehen kann. Im vierten Teil werden in den Thesen 9 – 12 wichtige Akteursgruppen und Ansätze im Ringen um mehr Naturschutz in der Landwirtschaft benannt.