Heft 1
Der Beitrag gibt einen Überblick über die Rahmenbedingungen des internationalen, europäischen und nationalen Rechts für Ausweisung und Management mariner Schutzgebiete in der deutschen Nordsee und der ausschließlichen Wirtschaftszone. Die Vorgaben des Seerechtsübereinkommens und des Rechts der Europäischen Union enthalten zahlreiche Anforderungen an eine effektive Unterschutzstellung und gleichermaßen Beschränkungen der Handlungsspielräume des nationalen Gesetzgebers, wenn es um die Lösung von Nutzungskonflikten des Naturschutzes insbesondere mit der Schifffahrt und der Fischerei geht.
Mit Verabschiedung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) im Jahr 2008 besteht neben der Verpflichtung zum Zustandsmonitoring auch eine Verpflichtung, die menschlichen Nutzungen der Meeresumwelt systematisch zu erfassen und deren Entwicklung zu dokumentieren. Die vielfältigen Nutzungen, die in der deutschen Nordsee und insbesondere in den Schutzgebieten stattfinden, und die daraus resultierenden Belastungen für Arten und Habitate sind Gegenstand dieses Beitrags. Die unterschiedlichen Nutzungsansprüche können zu Konflikten untereinander sowie mit dem Meeresumwelt- und Meeresnaturschutz führen. Somit befinden sich die Schutzgebiete der Nordsee in einem ständigen Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Nutzung und dem Schutz der Naturgüter. In diesem Beitrag kann nur ein allgemeiner Überblick gegeben werden, eine schutzgebietsspezifische Darstellung findet sich z.B. auf den Internetseiten der für die Schutzgebiete jeweils zuständigen Behörden.
Für das Jahr 2020 gab es klar definierte, national und international festgelegte Ziele zum Schutz der marinen biologischen Vielfalt und der Meeresumwelt insgesamt. Ausgehend von der vorliegenden Darstellung der aktuellen Zustände der marinen Schutzgüter ist jedoch zusammenfassend festzustellen, dass diese Schutzziele in der deutschen Nordsee nicht erreicht wurden. Auch in Gebieten, die speziell für den Schutz der marinen Arten und Lebensräume vorgesehen sind und in denen Naturschutz Vorrang hat, also in marinen Schutzgebieten und Nationalparks, wurden sie vielfach verfehlt. Hauptgrund sind die größtenteils nicht eingeschränkten ökonomisch begründeten Nutzungen mit ihren direkten und indirekten Auswirkungen. Eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Nutzung ist nach wie vor nicht erreicht. Es ist notwendig, auch auf politischer Ebene die Meeresnatur belastende Nutzungen wie die Fischerei einzuschränken, in die Meere gelangende Nähr- und Schadstoffe zu reduzieren, den Klimawandel an der Wurzel - dem hohen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß - abzumildern und im marinen Bereich Schutzgebiete mit Nullnutzung zu etablieren, die dauerhaft echte Rückzugs- und Ruheräume für Arten garantieren.
Mit ihrer Biodiversitätsstrategie wollen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem weltweiten Artenschwund durch ein wirkungsvolles Schutzgebietsnetzwerk auch im Meer entgegentreten. Die Meeresschutzgebiete in der deutschen Nordsee erfüllen bereits eine der Zielvorgaben, nämlich 30% der Meeresgebiete zu schützen. In den Meeresschutzgebieten finden allerdings vielfältige Nutzungen statt, deren Management unterschiedliche Stände erreicht hat. Die vom Tourismus ausgehenden Belastungen wurden durch Regelungen und Vereinbarungen bereits reduziert. Handlungsbedarf besteht insbesondere, um die von der Fischerei und Schifffahrt ausgehenden Belastungen zu reduzieren. Der Klimawandel, eingetragener Müll und v.a. die Eutrophierung wirken von außen in die Meeresschutzgebiete hinein und können durch sie höchstens lokal gepuffert werden. Noch sind die Schutzgebiete insgesamt nicht in einem guten Zustand. Basierend auf den Erfahrungen der langjährigen Kooperation der Wattenmeernationalparks sollte zur Erreichung der gesamteuropäischen Meeresnaturschutzziele die Zusammenarbeit aller Schutzgebietsverwaltungen in der Nordsee intensiviert werden.
Nach der Ausweisung von Nationalparks durch die Länder im Wattenmeer in den 1980er-Jahren, weiteren Schutzgebietsausweisungen und der aktuellen Sicherung der Natura-2000-Gebiete in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) ist eine großflächige Schutzgebietskulisse in der deutschen Nordsee entstanden. In den vergangenen ca. 30 Jahren hat sich in den Nationalparks eine ausdifferenzierte Managementpraxis entwickelt, die parallel verschiedene Instrumente nutzt. In den Schutzgebieten der AWZ wird dieses Management derzeit erst aufgebaut, dabei stellt die spezifische rechtliche Situation in der AWZ eine besondere Herausforderung dar. Schutzgebietsverwaltungen im Küstenmeer und in der AWZ müssen v.a. für die zukünftigen Herausforderungen gemeinsame Strategien entwickeln, um die Ziele der europäischen Biodiversitätsstrategie in der deutschen Nord- und Ostsee zu erreichen.
Nationale und europarechtliche Vorgaben sowie internationale Übereinkommen bilden den rechtlichen Kontext für das biologische Monitoring des Bundes und der Länder in der deutschen Nordsee. Die Vielfalt der Monitoringmethoden reicht von benthosökologischen Untersuchungen mit Greifern und Dredgen über Planktonbeprobungen bis hin zu flugzeuggestützten Linien-Transekt-Erfassungen von Vögeln und Säugetieren und spiegelt die Vielfalt der zu überwachenden Schutzgüter wider - dies sind sowohl Populationen einzelner Arten wie Artengemeinschaften und Lebensräume. Aktuelle Herausforderungen umfassen die Anpassung der Monitoringmethodik an den Windparkausbau, die Entwicklung und den Einsatz minimalinvasiver Monitoringmethoden insbesondere in Schutzgebieten, die Erweiterung des Monitorings zur kausalen Interpretation beobachteter Trends und die Erweiterung des Monitorings auf weitere Arten und Flächen.